Die Kanzlerkandidaten zur Bundestagswahl 2021: Armin Laschet (CDU), Annalena Baerbock, (Bündnis 90/die Grünen), Olaf Scholz (SPD) (AFP)
Folgen

Deutschland hat in der Merkel-Ära seit 2005 außenpolitisch wichtige Wendungen vollzogen. Während sich die Kanzlerkandidaten darin einig sind, dass Deutschland in der Post-Merkel-Ära eine aktivere Rolle in der Außenpolitik spielen sollte, zeigt sich, dass es über das wie unterschiedliche Meinungen gibt und auch darüber, in welchen Bereichen sich dieses Engagement bemerkbar machen soll. So treten die außenpolitischen Ansichten des CDU-Kandidaten Armin Laschet, des SPD-Kandidaten Olaf Scholz und der Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock im Wahlkampf in den Vordergrund. Laut aktuellen Meinungsumfragen ist die deutsche Öffentlichkeit der Meinung, dass unter diesen dreien Olaf Scholz von der SPD bzw. Armin Laschet von der CDU in der Außenpolitik erfolgreicher sein werden. Was also versprechen die Kandidaten in Hinsicht auf die Außenpolitik?

Streben nach Autonomie in der Außenpolitik

Die Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel war geprägt von vielen wichtigen Herausforderungen, etwa der Wirtschaftskrise 2008, der Flüchtlingskrise 2015, strukturellen Krisen innerhalb der EU und der globalen COVID-19-Pandemie. Auch wenn Merkel in der deutschen Öffentlichkeit als erfolgreiche Krisenmanagerin angesehen wird, muss man konstatieren, dass die Bewältigung dieser Krisen für Deutschland schwierig war und das Land sich schwer tat, politische Alternativen zu entwickeln. Aufgrund der Abhängigkeit von den USA im internationalen System und dem daraus resultierenden begrenzten Gestaltungsspielraum gelang es zudem nicht, außenpolitische Alternativen hervorzubringen oder gar eine strategische Autonomie zu etablieren. Aus diesem Grund bemüht sich Deutschland schon seit längerem um eine eigenständigere Politik bei der Bewältigung außenpolitischer Herausforderungen. In diesem Zusammenhang sind die Wahlen am 26. September ein äußerst wichtiger Scheideweg, da diese auch die außenpolitische Ausrichtung Deutschlands bestimmen werden. Entsprechend müssen die Kandidaten ihre Positionen und Ziele in einem breiten Spektrum darlegen, beginnend mit den transatlantischen Beziehungen bis hin zur Energiesicherheit, und ihre außenpolitischen Perspektiven für Deutschland erklären.

Überblick über die transatlantischen Beziehungen

Die transatlantischen Beziehungen haben seit je her für Deutschland eine strategische Bedeutung sowohl im Hinblick auf die wirtschaftlichen Wechselbeziehungen als auch auf die Kooperation in Sicherheitsfragen, insbesondere im Kontext der NATO. Erinnert sei dabei an die Debatten in der Trump-Ära bezüglich einer gerechten Verteilung der Lasten des NATO-Haushalts und Europas Energieabhängigkeit von Russland. Sie sorgten im Beziehungsdreieck zwischen USA, Deutschland und EU für diverse Spannungen. Darüber hinaus ist es Tatsache, dass insbesondere die EU-Staaten, die sich unter das Sicherheitsdach der USA begeben haben, in verschiedenen Bereichen, insbesondere in Afghanistan, enttäuscht wurden. Von einem problemlosen Verlauf der Beziehungen zwischen Deutschland und den USA kann daher nicht gesprochen werden. Mit dem Amtsantritt der Biden-Administration gehören daher Fragen zur Zukunft der deutsch-amerikanischen Beziehungen zu den wichtigsten Tagesordnungspunkten der Kandidaten.

Dabei zeigt sich, dass im Vorfeld der Wahlen zwei Hauptthemen bezüglich der transatlantischen Beziehungen in den Vordergrund treten, nämlich die Erhöhung des Beitrags zum Nato-Haushalt auf 2 Prozent des BIP sowie die Zukunft des Nord Stream 2-Projekts. An dieser Stelle plädiert Grünen-Kandidatin Baerbock, von der bekannt ist, dass sie enge Beziehungen zur Biden-Administration pflegt, Deutschland solle sein Budget für den Nato-Haushalt nicht erhöhen, während CDU-Kandidat Laschet und SPD-Kandidat Scholz der Meinung sind, Deutschland solle das Verteidigungsbudget auf das erwähnte 2-Prozent-Ziel erhöhen. Auch sind sich Laschet und Scholz dahingehend einig, dass Deutschland und die EU bei den Themen der Rüstungs- und Verteidigungskooperation ihre militärischen Kapazitäten durch eine Stärkung der Rolle der EU erhöhen soll, wohingegen Baerbock Rüstungsfragen mit Skepsis begegnet. Auf der anderen Seite lehnt Baerbock das Nord Stream 2-Projekt ab, das im Kontext der deutschen Energiesicherheit von entscheidender Bedeutung ist, während Laschet und Scholz der Meinung sind, das Projekt solle abgeschlossen und in Betrieb genommen werden. Entsprechend ist also in den Diskursen von Laschet und Scholz bezüglich der transatlantischen Beziehungen das Streben nach mehr Autonomie bestimmend, während Baerbock die transatlantischen Beziehungen, auch wegen der bestehenden ideologischen Affinität, an den Überschriften Freiheit, Menschenrechte und Sensibilität für die Umwelt festmachen will.

Politik des Gleichgewichts

Einerseits strebt Deutschland eine Außenpolitik an, die Möglichkeiten eröffnet, unabhängig von den transatlantischen Beziehungen zu agieren. Andererseits strebt es aber auch eine Gleichgewichtspolitik innerhalb der EU und gegenüber Drittstaaten an, um die eigenen Interessen und Sicherheit zu wahren. In diesem Zusammenhang drängt sich auch die Frage zum Verhältnis zu China und Russland auf. Hinsichtlich der Haltung gegenüber Staaten wie Russland und China sind Laschet und Scholz der Ansicht, durch eine Annäherung an diese Länder sollten, ähnlich wie bei der bezüglich der damaligen Sowjetunion entwickelten Ostpolitik, Fortschritte angestrebt werden. Hier plädiert Baerbock, gegenüber autokratischen Regimes sollte eine harte Haltung eingenommen und Importe insbesondere aus China nach Deutschland in diesem Zusammenhang gestoppt werden. Alles in allem wird deutlich, dass alle Kandidaten ihre außenpolitischen Versprechen vor allem mit einer von den transatlantischen Beziehungen weniger abhängigen und proaktiven Deutschlandperspektive gestalten wollen.

Meinungsbeiträge geben die Ansichten des jeweiligen Autors und nicht die der Redaktion wieder. Für Anfragen wenden Sie sich bitte an: meinung@trtdeutsch.com