18.07.2020, Berlin: „Stop racial Profiling“ steht bei einer Demonstration unter dem Motto „Deutschland hat ein #Rassismusproblem – Aktionswochenende gegen Polizeigewalt“ auf einem Schild. (dpa)
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Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat wegen einer deutlichen Zunahme der Beratungsanfragen vorübergehend ihre telefonische Beratung eingestellt. Das teilte der kommissarische Leiter, Bernhard Franke, am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung des Jahresberichts der Antidiskriminierungsstelle mit. Im Jahr 2020 sei die Zahl der Beratungsanfragen im Vergleich zum Vorjahr so stark gestiegen wie nie zuvor. In 6383 Fällen habe die Stelle rechtliche Auskunft erteilt, Stellungnahmen eingeholt oder gütliche Einigungen vermittelt. Im Vergleich zu 2019 war das ein Anstieg um 78 Prozent (3580 Fälle).

„Querdenker“ beschwerten sich über Maskenpflicht
Wegen Überlastung der Mitarbeiter, die zunächst die aufgelaufenen Fälle abarbeiten müssen, werden nach Angaben der Stelle seit Oktober nur noch schriftliche Anfragen bearbeitet. Ab Juli soll eine telefonische Beratung wieder möglich sein.
Der deutliche Anstieg hängt zum großen Teil mit Meldungen im Rahmen der Corona-Krise zusammen. In 1900 Fällen wandten sich Betroffene deswegen an das Beratungsteam. Meistens ging es um die Maskenpflicht, wenn etwa Menschen ohne Mund-Nasen-Schutz der Zugang zu einem Geschäft verweigert wurde, selbst wenn sie ein Attest hatten. Teilweise sei auch gezielt dazu aufgerufen worden, sich wegen der Maskenpflicht bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu beschweren. „Wie groß der Anteil solcher fragwürdigen Anfragen war, lässt sich nicht genau beziffern.“

Anstieg von ethnischer Diskriminierung
Unabhängig vom Corona-Effekt gab es nach Angaben der Antidiskriminierungsstelle im vergangenen Jahr vor allem im Bereich Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft oder aus rassistischen Gründen eine deutliche Zunahme der Anfragen. 2101 Mal wandten sich Betroffene mit entsprechenden Erfahrungen an das Beratungsteam (2019: 1176 Anfragen).
Die meisten Anfragen betrafen Diskriminierungen bei der „Inanspruchnahme von Gütern und Dienstleistungen“ (40 Prozent der Fälle) und im Arbeitsleben (23 Prozent). Im Bericht werden verschiedene Beispiele genannt: Da ist etwa die schwarze Mitarbeiterin einer großen Firma, deren Kollegen immer wieder rassistische Sprüche machen und dann auch noch demonstrativ Schokoküsse verteilen. Oder der Fall einer Supermarktkundin, die von einer Kassiererin zu hören bekommt, sie solle „zurück nach China“.

Einrichtung bemüht sich um einvernehmliche Klärungen
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes berät Betroffene auf Basis des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes bei der Durchsetzung ihrer Rechte, wenn sie beispielsweise aus rassistischen, ethnischen, geschlechtlichen oder religiösen Gründen diskriminiert werden oder wurden. Die Stelle holt auch Stellungnahmen der Gegenseite ein und vermittelt gütliche Einigungen. Die Gesamtzahl der Anfragen bei der Antidiskriminierungsstelle hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht.
Franke sprach von einem gestiegenen gesellschaftlichen Bewusstsein für Diskriminierung. „Es gibt einen wacheren Blick für Ungleichbehandlung und immer mehr Menschen suchen sich aktiv eine qualifizierte Beratung und sind nicht bereit, solche Ungleichbehandlungen hinzunehmen.“ Den Anstieg der Beratungszahlen bei der Antidiskriminierungsstelle führt er sowohl darauf zurück, als auch auf einen tatsächlichen Anstieg der Fallzahlen.

dpa