19.05.2021, Berlin: Zahlreiche Kisten mit durch die Polizei sichergestellten Beweismitteln stehen in einem Raum beim Landeskriminalamt (LKA). Mit einem Großaufgebot durchsuchte die Polizei am Mittwoch in Berlin Objekte von Tatverdächtigen. (dpa)
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Die meisten Hinweise kommen aus den USA. Die Täter sitzen aber auch in Deutschland und geraten immer häufiger ins Visier der Polizei. In Berlin sind das Landeskriminalamt (LKA) und die Polizei mit einer großen Razzia gegen mutmaßliche Konsumenten und Verbreiter von Kinderpornografie vorgegangen. Seit dem frühen Mittwochmorgen durchsuchten Fahnder mehr als 40 Wohnungen und andere Räume, wie die Polizei mitteilte. Es gehe um den Verdacht des Besitzes und der Verbreitung kinderpornografischer Abbildungen, also Abbildungen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs.
Die 43 Verdächtigen seien ausschließlich Männer, sagte Norma Schürmann, zuständige Dezernatsleiterin im LKA. Sie seien zwischen 17 und 84 Jahre alt. Zwei Drittel der Männer sollen polizeibekannt sein, die Hälfte fiel bereits durch Sexualdelikte auf. Es gehe bei den Durchsuchungen nicht um zusammenhängende Fälle, sondern um lauter Einzelermittlungen, sagte Schürmann.

Zuletzt steigende Fallzahlen
230 Einsatzkräfte waren laut Polizei an den Durchsuchungen beteiligt. Festnahmen gab es demnach keine. Hunderte Datenträger wie Handys, Laptops und USB-Sticks wurden beschlagnahmt. Nun müssten die Datenmengen ausgewertet werden.
300 Durchsuchungen im Zusammenhang mit Kinderpornografie habe es im vergangenen Jahr in Berlin gegeben, so das LKA. Aus Gründen des Opferschutzes informiere die Polizei jedoch selten über Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung, also auch über Besitz und Verbreitung von kinderpornografischen Abbildungen. Damit die Straftaten stärker in den Fokus rücken, will die Polizei nach eigener Aussage häufiger über die Entwicklung der - zuletzt steigenden - Fallzahlen berichten.
„Wir müssen den Täterinnen und Tätern das Gefühl der Sicherheit nehmen und es den Opfern wieder zurückzugeben“, teilte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) mit. Täter müssten sich im Klaren sein, dass die Polizei und Algorithmen, die zur Entdeckung kinderpornografischer Inhalte im Internet verwendet werden, sie suchten und letztlich stellten, teilte Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik mit.
„Die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, wird für die Täter beim Thema Kinderpornografie immer höher“, sagte Schürmann. In den USA würden die Netzbetreiber mit Algorithmen den Datenverkehr durchforsten und Verdachtsfälle inklusive deren IP-Adressen dem National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) melden. Die IP-Adressen werden dann in andere Staaten weitergeleitet.
Zehntausende Hinweise jährlich
„Das Gros der Verdachtsfälle in Deutschland wird von NCMEC gemeldet. Es gibt inzwischen wahnsinnig viel Verfahren“, sagte Schürmann. Zehntausende Hinweise erhalte das BKA jährlich so und leite sie weiter an die Landeskriminalämter. Durch Gesetzesänderungen seien auch die deutschen Betreiber künftig zu derartigem automatisierten Scannen des Datenverkehrs verpflichtet.
Beim Berliner LKA habe man wegen der zunehmenden Fallzahlen die zuständigen Dezernate ausgebaut und personell verstärkt, sagte Schürmann. Weitere einzelne Durchsuchungen und auch Razzien seien immer wieder zu erwarten. Die ermittelnden Kripo-Beamten arbeiteten alle freiwillig im Bereich Sexualdelikte. Die Auswertung von so vielen beschlagnahmten Computern und Handys könne dann bis zu einem Jahr dauern, zahllose Bilder und Filme müssten gesichtet, für Staatsanwaltschaften und Gerichte ausgewertet und beschrieben werden.
Die LKA-Dezernatsleiterin Judith Dobbrow erklärte, die Täter würden Bilder und Filme weltweit austauschen. Oft gebe es einen privaten Kontakt zu den Opfern. Verwandte würden Fotos von Kindern machen und im Internet anbieten. Viele Täter würden sich sicher fühlen, gerade im sogenannten Darknet, in dem man sich abgeschottet und anonym bewegen könne.
Dazu komme das Problem, dass Jugendliche und Kinder unbedarft eigene und fremde Bilder in Chatgruppen tauschen würden, sagte Dobbrow. „Sie haben kein Bewusstsein, dass ein Missbrauch dahinterstehen kann.“ Sie könne nur alle Eltern und Kinder auffordern, sehr vorsichtig mit eigenen Bildern zu sein.

„Aus allen Berufsgruppen und sozialen Schichten“
Bei den Durchsuchungen in dem Bereich gehe die Polizei unauffällig und ohne uniformierte Kräfte vor, sagte Schürmann. „Es geht nicht darum, die Verdächtigen an den Pranger zu stellen, denn es können ja auch entlastende Beweise gefunden werden.“
Erst Anfang Mai hatte die bayerische Polizei bei einer Kinderpornografie-Razzia 49 Objekte durchsucht, gegen 51 Verdächtige wurde ermittelt. Die Täter kommen aus „allen Altersgruppen, allen Berufsgruppen, allen sozialen Schichten und allen Regionen“, hieß es dort.
Kurz zuvor hatte das BKA mitgeteilt, dass eine der weltweit größten Kinderpornografie-Plattformen im Internet zerschlagen wurde. Mehrere Männer wurden als mutmaßliche Betreiber in Deutschland festgenommen. Die Darknetplattform soll mehr als 400.000 Mitglieder in vielen Ländern gehabt haben. Unter den geteilten Bild- und Videoaufnahmen hätten sich auch Aufnahmen von schwerstem sexuellen Missbrauch von Kleinkindern befunden.

dpa