09.07.2021, Rheinland-Pfalz, Landau in der Pfalz: Eine Wechselkröte sitzt auf einer Hand. Der Biologe Marco Wagemann siedelt kleine Tiere zum Schutz um, wenn Neubaugebiete oder sonstige Projekte geplant sind, die deren Lebensraum beeinträchtigen könnten. (dpa)
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Die Arbeit von Marco Wagemann ist eine Schule der Geduld. Oft ist es nur ein leises Geräusch oder eine kaum wahrnehmbare Bewegung, die über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Dann muss er schnell reagieren. Wagemann ist ein Jäger, aber er hetzt kein Wild im Wald - der Diplom-Biologe fängt Eidechsen und Kröten. „Wenn Neubaugebiete oder sonstige Projekte geplant werden, komme ich ins Spiel“, erzählt er. Wagemann siedelt dann Tiere um. Er kann das gut. „Meinen ersten Frosch habe ich mit drei Jahren gefangen.“

„Bei 5000 haben wir aufgehört zu zählen“

An diesem Juli-Tag steht Wagemann mit kurzer Hose und hellem T-Shirt bis zu den Knöcheln im Wasser einer Baugrube im Süden von Rheinland-Pfalz. Mit einem Kescher fischt er vorsichtig Quappen und Hüpferlinge von Wechselkröten aus der trüben Pfütze. Zu Dutzenden liegen die Froschlurche in seinem Netz, von dort lässt sie Wagemann vorsichtig in eine Plastikbox gleiten. „Auf diesem städtischen Baugrundstück wurden Wechselkrötenquappen gesichtet, die ich jetzt in das nahe Schutzgebiet Ebenberg umsiedele“, erzählt der Biologe.

Seit dem 7. Juli ist Wagemann fast täglich auf der Landauer Baustelle mit Kollegen im Einsatz. Wie viele Quappen und Hüpferlinge sie umgesiedelt haben, weiß er nicht genau. „Bei 5000 haben wir aufgehört zu zählen.“ Der Jäger rührt sachte im Gewässer. An Land sucht er nach Hüpferlingen. „Fast unter jedem Stein, der als Unterschlupf geeignet ist, wird man aktuell fündig.“ Die Wechselkröte ist gesetzlich streng geschützt - aber muss man tausende Tiere retten? Ja, sagt Wagemann. „Die natürliche Überlebensrate liegt meist unter einem Promille.“

Umsiedlung aus Schutzgründen nötig

„In Landau haben Wechselkröten ihren Laich in einer Baugrube abgelegt“, erklärt David Elsaesser von der Unteren Naturschutzbehörde. Die Umgebung biete den Tieren aber keine dauerhaften Lebens- und Fortpflanzungsstätten. „Aus diesem Grund müssen die Tiere abgefangen und in Sicherheit gebracht werden.“ Bei Eidechsenumsiedelungen im Rahmen von Bauvorhaben handele es sich um Verminderungs- und Ausgleichsmaßnahmen. „Die Naturschutzbehörden sind, wenn es rechtlich korrekt zugeht, immer beteiligt.“

Ortswechsel. Auch in Ludwigshafen ist das „Tier-Umzugsunternehmen“ Wagemann tätig - in der zweitgrößten Stadt in Rheinland-Pfalz siedelt der Biologe derzeit Eidechsen um. Wie er die flinken Tiere fängt, ist fast filmreif. Da Wagemanns Beruf außergewöhnlich ist, gibt es keine Standardausrüstung. Zum Fangen benutzt Wagemann daher ein Stück Angelrute mit einer winzigen Schlinge an der Spitze. Hat er das Lasso aus Zahnseide über den Kopf einer Eidechse geworfen, nimmt er das gefangene Tier in die Hand und löst vorsichtig die Schlinge.

In einer mit Stroh ausgelegten Box werden die Reptilien in das neue Habitat gebracht, das im Vorfeld extra für die Umsiedlungsaktion errichtet wurde. „Beim Schlingenfang handelt es sich um eine sehr schonende Art, bei dem die Tiere nicht verletzt werden - wenn der Fänger Fachkenntnisse hat“, betont der Biologe. Seit Ende März hat er in Ludwigshafen mehr als 550 Eidechsen gefangen und umgesiedelt.

Schon als Kind auf faunistischen Exkursionen

Die Jagd wurde ihm sozusagen in die Wiege gelegt. „Ich bin familiär mit Biologen aufgewachsen und war bereits als Kind immer auf faunistischen Exkursionen dabei. Meinen ersten Frosch habe ich mit drei Jahren auf dem Weg nach Portugal in Spanien gefangen“, erzählt er. Den Eidechsenfang mit der Schlinge habe ihm sein Vater beigebracht, der diesen wiederum von seinem Schwager gelernt habe. „Er hatte diese Technik aus einem zoologischen Fachbuch aus Brasilien.“

Der Erfolg hänge von vielen Faktoren ab, etwa vom Wetter und von der Erfahrung, sagt Wagemann. „Man braucht ein gutes Auge und ein gutes Gehör. Oft ist es wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Manchmal sieht man nur den kleinen Kopf des Tiers, das sich in einem Reisighaufen sonnt.“ Dann bleibe nur eins: schneller sein als die Eidechse. Manchmal allerdings gewinne das Tier. Der Biologe lacht. „Es gibt Tage, an denen man tatsächlich nichts fängt.“

dpa