Aserbaidschaner feiern die Befreiung von Berg-Karabach. (AA)
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von İbrahim Altıparmak / Berlin, Orhan Çığ / Baku

Der entscheidende Kampf zwischen Baku und Eriwan um Berg-Karabach hat vor einem Jahr nach den Provokationen aus Armenien seinen Lauf genommen. Aserbaidschan konnte die armenischen Angreifer in 44-Tagen zurückschlagen und die meisten Gebiete befreien. Damit verschwand das Thema größtenteils aus der internationalen Presse. Doch für die Aserbaidschaner ist es noch ein langer Weg, bis wieder Normalität in Berg-Karabach einkehrt. Mit dem Ende des Kriegs wurden auch die immensen Schäden im Gebiet sichtbar. Die dreißigjährige Besatzung hatte seinen Preis Dabei war Berg-Karabach einst ein Zentrum der kulturellen Blüte in der Kaukasus-Region. Das manifestierte sich auch im Namen, der sich aus den Worten kara (schwarz) und dem Wort bagh (Garten) zusammensetzt. Heute ist alles anders. Einige Orte in Karabach sehen aus wie Geisterstädte. Denn die 30 Jahre lange armenische Besatzung und die Kriege hatten ihren Preis. Der Berg-Karabach-Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien gehört zu den ältesten Konflikten unserer Zeit. Zwischen 1988 und 1991 kam es häufig zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Mit dem Ende der russischen Besatzung und der Sowjetunion spitzten sich die Zerwürfnisse zu und gipfelten in einem Krieg der von 1992 bis 1994 anhielt. Infolge des Konflikts nahm nicht nur die Umwelt einen erheblichen Schaden. Armenien griff auch das ethnische Mosaik an und die aserbaidschanische Bevölkerung in Berg-Karabach wurde gewaltsam vertrieben.

Das Massaker von Chodschali hat tiefe Wunden bei den Aserbaidschanern hinterlassen. (AA)

Armenien wollte mit Zerstörung ein Zeichen setzen Die Region war in dieser Zeit Schauplatz von unzähligen Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen. Allein im Ort Chodschali in Berg-Karabach wurden am 26. Februar Hunderte Aserbaidschaner massakriert. Serj Sargsyan, der ehemalige Präsidenten Armeniens, sagte in einem Interview, dass man mit den Angriffen auf Zivilisten ein Zeichen setzen wollte. „Sie dachten, dass die Armenier ihre Hand niemals gegen Zivilisten erheben würden. Wir sind in der Lage gewesen, mit dieser Annahme zu brechen“. Chodschali gilt in Aserbaidschan deshalb noch heute als Symbol der armenischen Vertreibung. Die Menschen verbinden mit der Stadt Trauer und Schmerz. Die aserbaidschanische Armee konnte zwar im Herbst letzten Jahres viele Orte befreien. Doch so sehr sich die Aserbaidschaner auch darüber freuen, kann eine problemlose Rückkehr der Binnenvertriebenen vorerst nicht ohne Probleme ermöglicht werden. Denn die Armenier hinterließen bei ihrer Flucht verbrannte Erde. Eine Strategie, die sich in diesem Konflikt oft wiederholte. Die armenischen Besatzer zerstörten aserbaidschanische Siedlungsgebiete – sich zurückziehende armenische Siedler zündeten Wälder und Häuser in Bergkarabach an.

Aserbaidschan will umfassende Restaurierung in Berg-Karabach Aserbaidschan betreibt nun einen Wiederaufbau in der Region, um die großflächig zerstörte Infrastruktur der Ortschaften wiederherstellen zu können. Doch die Schäden sind enorm. Bei den Bauarbeiten wird laut Baku darauf geachtet, armenische Heiligtümer zu bewahren. Im Rahmen der Restaurierungsprojekte wird daher auch die Ghasantschezos-Kathedrale in Schuscha saniert. Mit der Renovierung der 134 Jahre alte Kirche möchte die aserbaidschanische Regierung ihrerseits ein Zeichen für Vielfalt und Toleranz setzen. Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev unterstrich in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Anadolu zum Jahrestag des Karabach-Krieges, dass Armenien nun die Gelegenheit habe, Teil des Normalisierungsprozesses zu werden. Dazu müsse Eriwan seine Grenzen mit der Türkei und Aserbaidschan akzeptieren und sich an die Abmachungen des Waffenstillstands halten. Dazu gehöre auch die Öffnung des Sangesur-Korridors, zudem sich Armenien verpflichtet habe. Armenische Minen so weit das Auge reicht Neben strukturellen Problemen besteht jedoch auch ein ernstes Sicherheitsproblem in Berg-Karabach, das die unmittelbare Rückkehr der Menschen verhindert: Minen – verteilt in der ganzen Region. Nach Angaben der aserbaidschanischen Minenbehörde ANAMA hat Armenien dort rund eine Million Minen gelegt. Bislang konnten davon nur 12.000 entschärft werden. 95% des Gebietes gelten daher weiterhin als Gefahrenzone. „Bis jetzt wurden in dem Gebiet 1323 Minen und 14 militärische Sprengkörper entdeckt. Die Entschärfung der Minen in der Region verläuft manuell sowie durch Hunde oder spezielle Fahrzeuge. Sobald die Minen vollständig entschärft sind, wird der Wiederaufbau starten und die Menschen werden in ihre Heimat zurückkehren.”

Armenien weigert sich bis heute eine Karte mit den verlegten Landminen auszuhändigen. Zahlreiche Soldaten und Zivilisten fielen den Sprengfallen zum Opfer – auch nach dem Ende der Kämpfe.

2021 sollen viele Vertriebene heimkehren können

Von all diesen widrigen Umständen lassen sich die Aserbaidschaner aber nicht entmutigen. Trotz jahrzehntelanger Besetzung, die mit Leid, Trauer, Verlust und Zerstörung verbunden war, blicken die Aserbaidschaner mit Hoffnung in die Zukunft.

Die Regierung und die Menschen sind bereit, ihren Beitrag zu leisten, um ihre Heimat wieder in altem Glanz erstrahlen zu lassen. Aserbaidschan hofft, bereits im nächsten Jahr die Heimkehr von hunderttausenden Vertriebenen ermöglichen zu können.

TRT Deutsch