Kritik an Task Force Islamismusprävention: Worum es eigentlich gehen sollte

Die derzeitige Debatte und Kritik an der neuen Task Force Islamismusprävention im Bundesinnenministerium führt in eine Sackgasse. Es gilt, die Wurzel des Übel zu benennen.

By Farid Hafez
ARCHIV - 29.06.2023, Berlin: Auf dem Dach der Sehitlik Moschee ist eine Mondsichel angebracht. / Foto: DPA

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung sieht vor, dass eine „Task Force Islamismusprävention“ als ständiges Gremium im Bundesinnenministerium errichtet werden solle. Zum Themenkomplex „Islamismus“ solle sie einen Bund-Länder-Aktionsplan Islamismusbekämpfung erarbeiten. Das ist einerseits eine institutionelle Aufwertung des Themas. Andererseits beruht diese Maßnahme auf keiner Neuerfindung, sondern stellt vielmehr eine Weiterentwicklung ähnlicher Maßnahmen aus der Vergangenheit dar. Kurzzeitig gab es etwa einen Expertenkreis Politischer Islamismus, der wieder aufgelöst wurde. Dass das Thema vor allem Vertretern der Unionsparteien wichtig ist, zeigt etwa ein Positionspapier der CDU/CSU-Fraktion zum sogenannten politischen Islamismus aus dem Jahr 2021.

Kritik an Neubesetzung

Kritik ließ nicht lange auf sich warten. In der TAZ hieß es, dass die Neubesetzung der Taskforce ausgezeichnet ist durch „zahlreiche hochumstrittene Personen, die mit pauschalisierenden und teils rassistischen Aussagen über Muslim*innen aufgefallen sind“. Darin heißt es: „Die Definition dessen, was Islamismus ist, wird absehbar verschoben in die hochreligiösen Milieus“, was wiederum mehr Misstrauen gegenüber dem Islam bringen, denn ein Programm gegen Islamismus darstellen würde. Daniel Bax schrieb, dass es zwar „selbstverständlich“ eine „seriöse Strategien und Maßnahmen gegen religiöse Radikalisierung“ brauche, der „Kampf gegen Extremisten … aber nur mit der Mehrheit der Muslime geführt werden“ könne. Scharfe Kritik kam auch von der Grün-Abgeordneten Lamya Kaddor, die fragte, wie mit „Leuten…, die nahezu jede Form des Islam für eine Art gefährliche Ideologie halten“ eine Politik für Muslime gemacht werden könne.

So gut gemeint diese Kritiken sind, so sehr kratzen sie nur an der Oberfläche des Phänomens. Ja, es ist keine Neuigkeit, dass Personen aus der Taskforce wie etwa Ahmad Mansour oder dem Leiter Christoph de Vries vermutlich eine wenig konstruktive Rolle für Muslime in der Zukunft Deutschlands vorsehen.

Ein Investigativbericht von Correctiv berichtete gerade erst, dass Mansour Projekt gegen Antisemitismus in der Höhe von beinahe neun Millionen Euro vom Bundeswissenschaftsministerium zugesprochen erhielt obwohl Gutachter schwere Vorbehalte dagegen vorgebracht hätten. Seine Karriere basiert weitgehend auf der Verbreitung anti-muslimischer Positionen.

Und Christoph de Vries, der nunmehrige Staatssekretär im Innenministerium, dem der Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit (BMI) muslimfeindliche Positionen zugesprochen hat, war als Scharfmacher ein gutes Asset für die Schweizer Detektivfirme Alp Services in ihrer Schmutzkübelkampagne gegen Muslime in Deutschland. Die damaligen Recherchen des Spiegel scheinen seinem Ansehen jedoch kaum geschadet zu haben. Eher im Gegenteil.

Geht es aber tatsächlich nur um die Besetzung? Sollten im neuen „Beraterkreis Islamismusprävention und Islamismusbekämpfung“ mehr Muslime sitzen, wie der Theologe Scharjil Khalid vorschlug?

Koloniale Vorväter

Ich meine, dass dem ein fundamentaler Irrtum zugrunde liegt. Ideen über eine lauernde Gefahr politisch tätiger Muslime greifen auf viel ältere Strukturen zurück. Bereits im Kontext der kolonialen Eroberung von Territorien in Afrika, die von Muslimen bewohnt wurden, kam es zu Verschwörungen rundum Muslimen. Der Begriff des Pan-Islamismus stammt genau aus dieser Zeit und gilt als eine Schöpfung westlich-akademischer Vorstellungen damaliger Islamforscher im Dienst der Kolonialpolitik des Kaiserreichs. In dem Moment, wo Muslime sich gegen die Kolonialmacht auftaten, wurde jede gesellschaftliche Organisation abseits der Kontrolle des Kaiserreiches kriminalisiert. Der legitime Widerstand des Beherrschten wurde delegitimiert.

Postkoloniale Kontinuität

Der Begriff des Islamismus oder politischen Islam bzw. seine langjährige Institutionalisierung im deutschen Kontext durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als „legalistischer Islamismus“ diente von Anbeginn an dazu, dezidiert nicht-gewalttätige Formen religiös-politischer Deutungen zu kriminalisieren, indem sie verdächtigt wurden, unter Beobachtung gestellt und – mittels Verfassungsschutzberichten – öffentlich gebrandmarkt wurden, was zu einem gesellschaftlichen Ausschlussprozess geführt hat. Dass diese seit mehr als 20 Jahren andauernde Kriminalisierung der organisierten Muslime weitgehend erfolglos war, zeigen zeitgenössische Beispiele von nicht verbandlich organisierten Muslimen und die Welt der Influencer, die sich abseits der religiösen Verbandswelt ihren eigenen Islam basteln und angesichts des grassierenden anti-muslimischen Rassismus den deutschen Eliten gegenüber weitaus weniger positiv geneigt zu sein scheinen.

In kämpferischem Ton lässt der Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) wissen, dass in der Vergangenheit „den Feinden der Verfassung zu viel Spielraum gelassen“ worden sei, was sich nun ändern solle. Dieser schrille Ton lässt nichts Gutes ahnen.

Lösungen?

Was also kann eine Antwort auf das neu geschaffene Gremium des Innenministeriums sein? Es ist nicht damit getan, den Kreis mit Personen zu besetzen, die das Verhältnis von Islam und Politik tatsächlich erforschen und anstatt ideologischer Stehsätze Fachwissen von sich geben. Es ist auch nicht damit getan, Muslime in das Gremium zu bestellen, die nicht von Islamophobie oder muslimischem Selbsthass strotzen. Es ist auch nicht damit getan, dass andere Personen sanftere Methoden des Umgangs mit dem sogenannten politischen Islamismus vorschlagen.

Denn das Problem liegt in den Grundannahmen der Institution selbst. Und auch sie ist letztendlich nur ein Symptom für ein tiefergehendes Problem. So wie Juden vor 100 Jahren durch haltlose Unterstellungen ausgegrenzt wurden – etwa durch die Behauptung, ihre Religion sei keine Religion, sondern eine politische Ideologie und sie würden einen ‚Staat im Staat‘ bilden –, so erleben wir heute sehr ähnliche Muster der Pauschalisierung und Verdächtigung gegenüber Muslimen.

Und darin liegt das Problem: Der anti-muslimische Rassismus ist so selbstverständlich, dass dies all die Gedankenmodelle zu Islamismus und seinen Übeln erst ermöglichen. Indem Muslimen de facto die Menschlichkeit abgesprochen wird, der Religion des Islams das Religion-Sein abgesprochen wird, wird dem Staat erlaubt, Muslime im Namen der Gefahrenbekämpfung mit besonderen Mitteln entgegenzutreten. Genau das aber muss überwunden werden.