Eine osmanische Valide Sultan: Mahpeyker Kösem Sultan
Kösem Sultan gilt als eine der mächtigsten Frauen der osmanischen Geschichte – eine Herrscherin ohne Krone, deren Einfluss Palastmauern, diplomatische Grenzen und gesellschaftliche Erwartungen sprengte.
Sie war die Mutter von Sultan Murad IV. und Sultan Ibrahim, die Großmutter von Sultan Mehmed IV. und die Ehefrau von Sultan Ahmed I. Während der osmanischen Zeit spielte sie eine bedeutende Rolle in der Staatsverwaltung. Nicht nur während der Herrschaft ihrer Söhne, sondern auch in den ersten Jahren der Regierungszeit ihres Enkels Mehmed IV. behielt sie ihren Einfluss im Palast und in der Verwaltung. Dank ihrer bemerkenswerten Macht und ihrer Fähigkeiten in Staatsangelegenheiten prägte Kösem Sultan die osmanische Politikgeschichte nahezu so stark wie ein männlicher Herrscher. Allgemein wird angenommen, dass sie die mit Hürrem Sultan begonnene Ära der Frauenherrschaft im Osmanischen Reich zu ihrem Höhepunkt führte. Ihr gewaltsamer Tod durch ein politisches Attentat löste große Trauer in der Bevölkerung aus, zumal Kösem Valide Sultan wegen ihrer Stiftungen und ihrer Wohltätigkeit im Volk als gütig, großzügig und respektiert galt.
Herkunft, Aufstieg und frühe Jahre im Palast
Obwohl die Herkunft von Kösem Sultan, die als Begründerin der sogenannten „Frauenherrschaft“ im Osmanischen Reich gilt, nicht eindeutig geklärt ist, wird vermutet, dass sie die Tochter eines orthodoxen Priesters war und ursprünglich Anastasia hieß. In osmanischen Quellen erscheint sie sowohl unter dem Namen Kösem als auch als Mahpeyker Sultan. Kösem bedeutet wörtlich „der Widder an der Spitze der Herde“ und verweist symbolisch auf ihre Führungsrolle im Harem und ihren Einfluss auf die Regierung über ihre Söhne. Mahpeyker bedeutet „mondgleich strahlend“ oder „leuchtend schön“ – ein Name, den sie bei ihrem Eintritt in den Palast erhielt. Aufgrund ihrer wachsenden Autorität unter den Konkubinen und später im Hofstaat wurde sie schließlich als Kösem Sultan bekannt.
Ab dem 16. Jahrhundert begannen die Frauen des Harems – insbesondere die Valide Sultans, also die Mütter der Sultane – eine immer aktivere Rolle in politischen und administrativen Angelegenheiten zu spielen. Sie berieten ihre Söhne, führten diplomatische Korrespondenz und verhandelten sogar mit ausländischen Mächten. Eines der deutlichsten Beispiele für diese Entwicklung ist zweifellos Kösem Sultan, die als Haseki von Ahmed I. und später als Valide Sultan während der Herrschaft ihrer Söhne Murad IV. und Ibrahim großen Einfluss ausübte. Selbst während der frühen Regierungsjahre ihres Enkels Mehmed IV. behielt sie ihre Position bei.
Als Kösem Sultan im Alter von nur 14 Jahren in den Palast kam, erregte sie rasch die Aufmerksamkeit von Ahmed I. Nach ihrer Ausbildung im Harem brachte sie zunächst zwei Töchter zur Welt, bevor sieben Jahre später Prinz Murad geboren wurde – der spätere Sultan, durch den sie Valide Sultan wurde. In den folgenden Jahren folgten weitere Söhne: Süleyman, Kasım und Ibrahim. Mit 28 Jahren verlor sie ihren Ehemann. Da ihre Söhne noch sehr jung waren, war ihre Stellung in der unruhigen Palastpolitik gefährdet.
Machtübernahme und politische Regentschaft
Am 9. September 1623, mit der Thronbesteigung ihres zwölfjährigen Sohnes Murad IV., erreichte sie die Machtposition, die sie über Jahrzehnte prägen sollte. Sie zog vom Alten Palast in den Topkapı-Palast und wurde Valide Sultan. Da Murad noch ein Kind war, übernahm sie faktisch die Staatsführung.
Das 17. Jahrhundert war von Thronbesteigungen minderjähriger Sultane geprägt, was zu Machtvakuum und Instabilität führte. In dieser Phase rückten die Valide Sultane in den Vordergrund. Zwar wurden sie von einigen Historikern kritisiert, doch trugen gerade Kösem Sultan und später Turhan Sultan durch ihren Fokus auf die Stabilität der Dynastie wesentlich zur Kontinuität des Reiches bei. Dass zwei so machtvolle und kluge Frauen zur rechten Zeit am Hof standen, kann im historischen Rückblick als Glücksfall für die osmanische Dynastie betrachtet werden.
Der venezianische Botschafter Simone Contarini schrieb bereits 1616, Kösem Sultan sei die einflussreichste Person im Umfeld des Sultans und verfüge über die Fähigkeit, Ahmed I. nach ihrem Willen zu lenken. Dies zeigt, dass ihr Aufstieg bereits vor der Geburt Murads IV. begonnen hatte. Ihr Einfluss wurde besonders mit Murads Thronbesteigung sichtbar; bei vielen politischen Ereignissen spielte sie eine aktive Rolle.
Ein Imperium im Schatten von Intrigen
Nach seiner Thronbesteigung ließ Murad IV. drei seiner Brüder töten, verschonte jedoch – so heißt es auf Drängen seiner Mutter – seinen Bruder Ibrahim, den einzigen verbliebenen Thronfolger. Nach Murads plötzlichem Tod musste so Ibrahim, trotz seiner Unerfahrenheit, den Thron besteigen. Da er aufgrund seiner langen Isolation kaum Kenntnisse über Staatsführung hatte, gewann Kösem Sultan bald erneut an Einfluss.
Die mangelnde Regierungsfähigkeit Ibrahims führte schließlich zu einer Rebellion. Kösem Sultan spielte dabei eine zentrale Rolle: In den Verhandlungen über Ibrahims Absetzung überzeugte sie die Rebellen, seinen siebenjährigen Sohn Şehzade Mehmed als neuen Sultan einzusetzen. So bestieg Mehmed IV. 1648 als Kind den Thron.
Doch mit Mehmeds Thronbesteigung begann ein harter Machtkampf zwischen seiner Mutter Turhan Sultan und seiner Großmutter Kösem Sultan. Turhan war jung, unerfahren und anfangs nicht stark genug, um Kösem etwas entgegenzusetzen. Mit den Jahren eskalierte jedoch der Konflikt zwischen beiden Valide Sultans. Unvereinbare politische Vorstellungen und Rivalität um Einfluss führten schließlich zu einem dramatischen Machtkampf, der in Kösem Sultans Ermordung mündete. Nach ihrem Tod übernahm Turhan Sultan die alleinige Kontrolle im Palast.
Vermächtnis und Wohltätigkeit Kösem Sultans
Kösem Sultan, die über nahezu fünf Jahrzehnte hinweg eine prägende Figur der osmanischen Politik gewesen war, wurde Opfer eines politischen Mordes – ein Ereignis, das große Trauer auslöste. Sie war durch ihre weitreichenden philanthropischen Aktivitäten im Volk sehr beliebt. Sie ließ Gefangene freikaufen, bezahlte deren Schulden, befreite Sklavinnen nach einigen Dienstjahren und stattete sie mit Mitgift aus.
Der von ihr 1640 in Üsküdar errichtete Kösem-Sultan-Komplex umfasst eine reich verzierte Moschee, eine Schule, eine Medrese, einen Brunnen, ein Waschhaus und ein Doppelhamam. Zudem ließ sie in Eminönü an der Çakmakçılar Yokuşu den großen Valide Han errichten, um das Handelsleben zu fördern und Händlern bessere Arbeitsmöglichkeiten zu bieten.
Darüber hinaus gründete sie eine Stiftung, um den Wasserbedarf von Pilgern auf dem Weg nach Mekka zu decken, Bedürftigen in den heiligen Städten zu helfen und dort den Koranunterricht zu unterstützen.