Sorgen nach neuem US-Strategiepapier: „Amerikaner stehen nicht mehr an Europas Seite“

Mit ihrer neuen Sicherheitsstrategie stellen die USA das Verhältnis zu Europa auf die Probe: Politiker sehen darin einen Bruch der transatlantischen Partnerschaft und warnen vor politischer Einflussnahme aus Washington.

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Foto: Evelyn Hockstein/REUTERS (Archiv) / Reuters

Mit ihrem neuen Strategiepapier haben die USA nach Einschätzung deutscher Politiker die Unterstützung für Europa aufgekündigt. „Erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs stehen die USA nicht mehr an der Seite der Europäer“, sagte am Sonntag der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. Die USA stünden auch nicht mehr an der Seite der Ukraine, die sich seit Februar 2022 im Krieg mit Russland befindet. Zudem zeige sich, dass es Ziel der USA sei, sich in die inneren Angelegenheiten der europäischen Staaten einzumischen.

Die US-Regierung hatte zum Ende der Woche in ihrer neuen Nationalen Sicherheitsstrategie erklärt, Europa drohe eine „zivilisatorische Auslöschung“ und es könnte eines Tages seinen Status als verlässlicher Verbündeter verlieren. Die Europäische Union wird als undemokratisch bezeichnet. Ziel der USA müsse es sein, „Europa bei der Korrektur seines derzeitigen Kurses zu helfen“. In dem Papier wird europäischen Regierungen die „Untergrabung demokratischer Prozesse“ vorgeworfen.

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hatte die USA am Samstag dennoch als weiter wichtigsten Verbündeten Europas bezeichnet. Es gebe viel Kritik in dem neuen US-Papier, aber ein Teil davon sei auch wahr, sagte sie auf einer Podiumsdiskussion in Katar. Man sei mit den USA bei verschiedenen Themen nicht immer einer Meinung gewesen. „Aber ich glaube, das Grundprinzip ist immer noch da. Wir sind die größten Verbündeten und wir sollten zusammenhalten“, sagte Kallas. Bundesaußenminister Johann Wadephul hatte am Freitag gesagt, man werde die neue US-Strategie „in allen Punkten intensiv auswerten, das konnten wir bisher nicht machen“. Die USA seien und blieben aber der wichtigste Verbündete im Nato-Bündnis.

Amtierende Staats- und Regierungschefs in Europa äußerten sich auch über das Wochenende zumeist nicht zu dem Papier. Viele Regierungen sind darauf bedacht, den als sprunghaft geltenden US-Präsidenten Donald Trump nicht zu verärgern und keine Reaktionen zu provozieren, die Europa etwa im Bereich Wirtschaft oder Sicherheit schaden könnten. Wiederholt war darauf verwiesen worden, dass Europa stark von den USA abhängig sei.

„Bizarr“

Der frühere schwedische Regierungschef Carl Bildt schrieb indes auf der Plattform X, in dem US-Papier werde eine Sprache verwendet, „die man sonst nur in den bizarren Köpfen des Kremls findet“. Er bezeichnete das Dokument als „rechts von der extremen Rechten in Europa“. Lettlands Ex-Ministerpräsident Krisjanis Karins sagte der Nachrichtenagentur Reuters, am glücklichsten mit dem Papier sei sicher Russland. Moskau versuche seit Jahren, das transatlantische Bündnis zu zerbrechen. „Und nun scheint es, dass der größte Störfaktor dieses Bündnisses die USA selbst sind, was bedauerlich ist.“

Die Grünen-Chefin Franziska Brantner sagte den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“, das neue US-Papier bedeute für Europa vor allem, dass es keine Zeit mehr verlieren dürfe. Der Kontinent müsse jetzt in die eigene Souveränität investieren. Der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter sagte „Funke“, die USA seien unter Trump kein Wertepartner mehr, sondern verfolgten rücksichtslos eigene Wirtschaftsinteressen. Europa müsse nun umgehend gesellschaftlich, militärisch und ökonomisch stärker werden. „Nur so verhindern wir, zum Spielball von Washington, Moskau oder Peking zu werden.“

„In die Zange genommen“

Röttgen sagte dem RND, Europa werde „in die Zange genommen“. Auf der einen Seite werde die hiesige Souveränität durch Krieg von Russland angegriffen, auf der anderen Seite werde Europas Demokratie im Inneren von den USA unter Druck gesetzt. Ziel der USA sei, die inneren Verfassungen in Europa zu beeinflussen „und zu diesem Zweck mit den inneren Feinden der liberalen Demokratie in Europa zusammenzuarbeiten – in Deutschland ist das die AfD“.

Die Nationale Sicherheitsstrategie ist ein Dokument, das in regelmäßigen Abständen von der US-Regierung veröffentlicht wird. Es umreißt die außenpolitische Vision eines Präsidenten und dient als Leitfaden für Regierungsentscheidungen. In einem Vorwort schrieb Trump, das Strategiepapier sei „ein Fahrplan, um sicherzustellen, dass Amerika die größte und erfolgreichste Nation der Menschheitsgeschichte bleibt“.