US-Government Shutdown: Globale Auswirkungen und die Widerstandskraft von Türkiye

Der Shutdown in Washington belastet weltweit Märkte und Lieferketten. Während Europa erste wirtschaftliche Folgen spürt, zeigt sich Türkiye dank diversifizierter Energiepolitik und solider Finanzsteuerung widerstandsfähig.

By Prof. Dr. Elif Nuroğlu
US-Government Shutdown: Globale Auswirkungen und die Widerstandskraft von Türkiye / Foto: Reuters / Reuters

Der anhaltende Stillstand der US-Bundesregierung seit Anfang Oktober hat nicht nur die politische Blockade in Washington sichtbar gemacht, sondern auch neue Unsicherheiten in der Weltwirtschaft ausgelöst. Da Republikaner und Demokraten sich nicht auf den Haushalt für das Fiskaljahr 2025 einigen konnten, verlor die Regierung ihre Ausgabenermächtigung und Hunderttausende Staatsbedienstete bleiben ohne Gehalt.

Nach US-Recht muss der Kongress den Bundeshaushalt für das neue Finanzjahr jeweils zum 1. Oktober verabschieden. Geschieht dies nicht, werden alle nicht lebensnotwendigen Aktivitäten gestoppt. Im Falle eines Government Shutdowns setzen grundlegende Dienstleistungsbereiche wie das Militär, die Geheimdienste, die Flugsicherung, öffentliche Krankenhäuser und Sicherheitsbehörden ihre Arbeit fort; jedoch erhalten die Beschäftigten in diesen Sektoren ihre Gehälter erst, wenn ein neues Haushaltsgesetz verabschiedet wird.

Warum kam es zur Schließung?

In der jüngsten Senatsabstimmung scheiterte der Vorschlag der Republikaner, die Regierung bis zum 21. November vorübergehend zu finanzieren, mit 49 Nein-Stimmen. Die Demokraten kritisieren, dass im Entwurf keine Verlängerung der Krankenversicherungszuschüsse und keine Rücknahme der Kürzungen bei Medicaid vorgesehen sind. Die Republikaner hingegen fordern Ausgabenkürzungen im zivilen Bereich, eine restriktivere Einwanderungspolitik und mehr Haushaltsdisziplin.

Die politische Polarisierung lähmt nicht nur die Verwaltung, sondern auch den Datenfluss: Wichtige Wirtschaftsindikatoren wie Inflation, Arbeitsmarkt und Wachstum können derzeit nicht veröffentlicht werden. Das Finanzministerium erklärte, dass der Haushaltsbericht für 2025 vorerst nicht erscheinen könne – ein Signal für zunehmende Unsicherheit an den Finanzmärkten.

Folgen für die US-Wirtschaft

Nach Berechnungen von HSBC kostet der unbezahlte Zwangsurlaub von rund 750.000 Bundesangestellten die Wirtschaft täglich etwa 400 Millionen Dollar. Sollte der Stillstand zwei Wochen andauern, könnte der Schaden über 5 Milliarden Dollar betragen. Kurzfristig ist das für die US-Wirtschaft verkraftbar, doch ein längerer Stillstand würde den privaten Konsum und Investitionen schwächen.

Der Shutdown, der in einer Phase fortgesetzter Zinssenkungen stattfindet, führt auch zu Turbulenzen auf dem US-Anleihemarkt. Während bei den langfristigen Zinsen ein Aufwärtstrend zu beobachten ist, bleibt der Dollar-Index weiterhin schwach. Die als sicherer Hafen betrachteten Goldpreise steigen weiterhin. Sollte der Shutdown länger andauern, könnte die Bonitätsbewertung der USA erneut auf die Agenda rücken.

Diese Krise erinnert an den 35-tägigen Government Shutdown im Jahr 2018 – der längsten in der Geschichte der USA und ebenfalls während der Trump-Administration. Doch diesmal sind die Rahmenbedingungen anders: Die globale Wirtschaft befindet sich in einer sensiblen Phase, geprägt von geopolitischen Spannungen und einem laufenden Zinssenkungszyklus.

Auswirkungen auf Europa

Eine Abschwächung der US-Wirtschaft wirkt sich auch auf die Europäische Union aus. Hält die Unsicherheit in Washington an, könnten Exporte in die USA zurückgehen und Investitionsentscheidungen verschoben werden. Da viele amerikanische Behörden derzeit keine Genehmigungen erteilen oder Kredite vergeben, kommt es zu Verzögerungen an den Zollstellen und in den Häfen, was Lieferketten stört und die Logistikkosten erhöht. Europäische Unternehmen, insbesondere in industrienahen Volkswirtschaften wie Deutschland, Frankreich und Italien, sind gegenüber solchen Unterbrechungen besonders empfindlich.

Ökonomen schätzen, dass ein achtwöchiger Shutdown der EU-Wirtschaft bis zu 16 Milliarden Euro kosten könnte, wobei besonders die Energie-, Automobil- und Finanzbranche betroffen wären. Ein schwächerer Dollar könnte den Euro kurzfristig stützen, doch die geringere Nachfrage aus den USA würde das europäische Wachstum bremsen. Hinzu kommen weiterhin hohe Energiepreise und geopolitische Unsicherheit, die die Industrieproduktion in Deutschland und anderen Industrieländern belasten – ein deutliches Zeichen dafür, wie eng die europäische Wirtschaft mit der US-Konjunktur verflochten ist.

Türkiye: Robust trotz Risiken

Für Türkiye bedeutet der Shutdown keine direkte, aber eine indirekte Herausforderung über die globalen Finanzmärkte. Wie stark die EU, der größte Handelspartner von Türkiye, von diesem Shutdown betroffen ist, ist auch für Türkiye wichtig. Je stärker die EU betroffen ist, desto abgeschwächter, aber dennoch spürbar, wirkt sich dies auf Türkiye aus.

Kurzfristig könnte die Volatilität am Devisenmarkt zunehmen. Dennoch steht Ankara dank einer diversifizierten Energiepolitik, haushaltspolitischer Disziplin und einer exportorientierten Produktionsstrategie heute robuster da als viele andere Schwellenländer.

In den letzten Wochen kam es zu neuen diplomatischen Kontakten zwischen Ankara und Washington. Besonders im Energie- und Verteidigungssektor zeichnet sich eine engere Zusammenarbeit ab. So hat BOTAŞ neue LNG-Vereinbarungen mit US-Unternehmen geschlossen, um die Energiesicherheit von Türkiye zu stärken. Diese Diversifizierung schützt das Land vor globalen Preisschwankungen.

Der Government Shutdown in den USA ist mehr als ein Haushaltsstreit – er spiegelt die tiefe politische Spaltung des Landes wider. Je länger er anhält, desto stärker werden die Auswirkungen auf die globale Wirtschaft zu spüren sein.

Doch inmitten dieser Unsicherheit präsentiert sich Türkiye als stabiler und flexibler Akteur. Durch ihre Energiepolitik, wachsende Exportmärkte und diplomatische Aktivität behauptet sie ihre Rolle als regionales Gleichgewichtszentrum. Während Washington ringt und Europa zögert, zeigt Ankara, dass wirtschaftliche Resilienz und strategische Anpassungsfähigkeit auch in Krisenzeiten entscheidende Vorteile sind.