Afghanen mit Klagen gegen deutsche Behörden erfolgreich

Eigentlich will die Bundesregierung Afghanen trotz Zusage für Aufnahmeprogramm nicht mehr einreisen lassen. Doch viele Klagen der Betroffenen sind erfolgreich, in einigen Fällen drohte das Gericht der Regierung ein Zwangsgeld an.

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Afghanen mit Klagen gegen deutsche Behörden erfolgreich/ Foto: dpa / DPA

Viele Afghanen mit Aufnahmezusage sind mit ihren Klagen gegen die Bundesregierung erfolgreich. Das geht aus Angaben der Verwaltungsgerichte in Berlin und im bayerischen Ansbach an die Deutsche Presse-Agentur hervor. Es geht dabei um Menschen im sogenannten Bundesaufnahmeprogramm, die wegen besonderer Gefährdung eine Zusage für die Aufnahme in Deutschland haben. Viele warten seit Monaten in Pakistan auf Einreisevisa.

Vorgehen gegen mangelnde Visa oft erfolgreich

Von mindestens 117 Eilverfahren, die beim Verwaltungsgericht Berlin seit Mitte Mai eingegangen sind, gingen demnach 49 Verfahren zugunsten der Antragsteller aus. Meist wurde die Bundesregierung zur Erteilung eines Visums verpflichtet, in manchen Fällen auch nur zum Treffen einer Entscheidung. In 18 Fällen wurde der Eilantrag der Betroffenen zurückgewiesen, 41 Verfahren waren am 31. Oktober noch offen. Die Zahlen sind nicht unbedingt vollständig, wie ein Gerichtssprecher mitteilte.

Gericht droht Bundesregierung mit Zwangsgeld

In 14 Fällen drohte das Gericht bislang der Bundesregierung ein Zwangsgeld an, in der Regel im Umfang von 10.000 Euro, weil diese nicht aktiv wurde bei der Umsetzung der Gerichtsentscheidungen. Zur Festsetzung eines Zwangsgelds sei es, soweit ersichtlich, aber bisher nicht gekommen.

Doch nicht immer erteilte das Auswärtige Amt ein Visum, wenn es vom Gericht dazu verpflichtet wurde. In manchen Fällen hat das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) die Aufnahmezusage zurückgenommen oder widerrufen. „Hiermit wird dem Visumanspruch der jeweiligen Antragsteller praktisch die Grundlage entzogen“, erklärt das Gericht.

Einen Zusammenhang gibt es laut dem für das Bamf zuständigen Bundesinnenministerium dabei nicht. „Die Prüfung eines Widerrufs oder der Rücknahme einer Aufnahmezusage im Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan erfolgt unabhängig von laufenden Eil- oder Klageverfahren auf Visumserteilung“, erklärt eine Sprecherin. „Überschneidungen eines laufenden Aufhebungsverfahren und der Einreichung eines Eilantrags auf Visumserteilung sind daher nicht ausgeschlossen.“

Weshalb die Klagen Erfolg haben

Einige der Betroffenen haben sich dagegen gewehrt, wegen des Bamf-Standorts Nürnberg beim Amtsgericht Ansbach. Nach Angaben eines Gerichtssprechers sind dort rund 30 Verfahren bekannt. In zwei Dritteln der Fälle hatte das Bundesamt einen Widerruf damit begründet, dass gegen die jeweils Betroffenen Sicherheitsbedenken bestünden. In diesen Fällen sei das Gericht zu 90 Prozent den Klägern – und nicht der Bundesregierung – gefolgt.

In einem Drittel der Fälle war durch das Bamf eine Rücknahme erfolgt, die damit begründet worden war, dass eine Verfolgung im Heimatland nicht oder nicht mehr gegeben sei. In diesen Fällen sei in den Eilsacheverfahren sämtlich gegen das Bundesamt entschieden worden, teilte ein Gerichtssprecher mit.

In den meisten der insgesamt rund 30 Fälle seien die Verfahren bereits eingestellt, weil beide Parteien die Eilsache-Entscheidung akzeptiert hätten. Zu Hauptsacheverfahren komme es somit nur noch bei einer Handvoll von Fällen.

Geld für freiwilligen Verzicht auf Aufnahmeprogramm

Die schwarz-rote Bundesregierung stoppte das Aufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen im Mai. Erst kürzlich hatte die Bundesregierung einem Teil dieser Menschen Geld angeboten, wenn sie aus dem Programm ausscheiden. Viele afghanische Familien harren seit Monaten oder gar Jahren in Islamabad aus.

Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios schickte das Bundesinnenministerium E-Mails an Personen, die eine Aufnahmezusage über die Menschenrechtsliste oder das Überbrückungsprogramm erhalten haben. Betroffen sind damit rund 700 der insgesamt 2100 Wartenden. 

In den E-Mails wird ein Angebot unterbreitet: finanzielle Unterstützung, wenn die Betroffenen freiwillig auf das weitere Aufnahmeverfahren verzichten. Die Höhe der Zahlungen richtet sich nach der Familiengröße. Ein Teil des Geldes soll noch in Pakistan ausgezahlt werden, der größere Betrag erst nach der Rückkehr nach Afghanistan. Für eine sechsköpfige Familie – zwei Eltern und vier Kinder – sind in Pakistan 2.750 Euro vorgesehen und anschließend knapp 11.500 Euro in Afghanistan. Das Geld sei für eine Rückkehr nach Afghanistan gedacht oder „in besonderen Ausnahmefällen und nach Einzelfallprüfung“ für eine Weiterreise in einen Drittstaat, heißt es in dem Schreiben.

Das Bundesinnenministerium soll auf Anfrage bestätigt haben, dass solche Angebote existieren, beantwortete jedoch keine weiteren Detailfragen.

Neben der finanziellen Unterstützung wird den Betroffenen auch „organisatorische Hilfe bei der Ausreise aus Pakistan“ zugesagt. Dazu gehören unter anderem die Übernahme der Kosten für sogenannte Exit Permits, die Sicherstellung der Reisefähigkeit – etwa durch den Abschluss medizinischer Behandlungen – sowie die Finanzierung des Transports. Zudem sollen bei der Ankunft in Afghanistan für drei Monate Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung bereitgestellt werden.