Was muslimische Mädchen und Frauen zum österreichischen Kopftuchverbot denken
In Österreich wird derzeit heftig der neue Gesetzesvorschlag für ein Kopftuchverbot diskutiert. Wir haben eine Umfrage gemacht, die zeigt, was muslimische Mädchen und Frauen in Österreich denken.
Am 10. September 2025 kündigte die österreichische Bundesregierung, bestehend aus ÖVP, NEOS und SPÖ, ein Kopftuchverbot für Schülerinnen der 1. bis 8. Schulstufe an. Wie im rechtspopulistisch aufgeladenen Dauerwahlkampf mittlerweile üblich, führen vor allem ÖVP-Ministerin Claudia Plakolm und NEOS-Klubobmann Yannick Shetty diese Maßnahme öffentlichkeitswirksam ins Feld.
Das Gesetz mit dem Titel „Bundesgesetz zur Stärkung der Selbstbestimmung von unmündigen Mädchen an Schulen mittels Einführung eines Kopftuchverbots“ knüpft an eine Vorgängerregelung aus dem Jahr 2019 an, die nach nur einem Jahr vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde. Die Regierung verkauft das Verbot als emanzipatorische Maßnahme und behauptet, es eröffne muslimischen Mädchen einen „Raum freier Entfaltung“. Zugleich wird argumentiert, dass Kinder angeblich nicht „religionsmündig“ seien und daher keine eigenständige Entscheidung über das Tragen des Hijabs treffen könnten.
Damit wird muslimischen Mädchen faktisch das Recht auf Selbstbestimmung abgesprochen, genauso wie ihre eigene religiöse und kulturelle Auslegung des Hijabs ignoriert wird. Das Konstrukt der vermeintlichen „Religionsunmündigkeit“, das hier bemüht wird, verdreht das Prinzip der Religionsmündigkeit ins Gegenteil und ruft einen paternalistischen Staat auf den Plan, der Kleidungsvorschriften erlässt. Der Hijab wird dabei pauschal als Symbol der Unterdrückung definiert.
Begutachtungsfrist beendet
Am 23. Oktober endete die Begutachtungsfrist für das Gesetz. Die überwiegende Mehrheit der Stellungnahmen fällt vernichtend aus – dennoch wird die Regierung nicht davon abweichen, das Gesetz dem Parlament vorzulegen. Bemerkenswert ist, dass nicht nur Menschenrechts-NGOs und Kirchen, sondern auch mehrere Staatsressorts deutliche Kritik äußern.
Wenig überraschend, aber dennoch bezeichnend ist zudem, dass die Gesetzgeberinnen und Gesetzgeber eines ganz bewusst unterlassen haben: den Betroffenen zuzuhören. Muslimische Mädchen und Frauen wurden im gesamten Verfahren nicht angehört. Der Gesetzesvorschlag stützt sich weder auf belastbare Daten noch auf wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auf bloße Schätzungen darüber, wie viele Mädchen in Schulen ein Kopftuch tragen könnten – und spricht genau diesen Mädchen zugleich das Recht ab, selbst eine Entscheidung über ihre Kleidung zu treffen.
Blitzumfrage
Aus diesem Grund haben wir an der Bridge Initiative der Georgetown University in Washington, D.C., eine Blitzumfrage unter muslimischen Mädchen und Frauen, die in Österreich leben, durchgeführt. Die Umfrage fand eine Woche nach der Ankündigung des Gesetzes, vom 17. bis zum 20. September, statt. Insgesamt wurden die Antworten von 926 muslimischen Frauen ausgewertet, die den Online-Fragebogen vollständig ausgefüllt haben.
Die Erhebung erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität, lässt jedoch klare Trends innerhalb der betroffenen Gruppe erkennen. Von den 926 Teilnehmerinnen waren 86 unter 14 Jahre alt, 146 zwischen 15 und 19, 341 zwischen 20 und 30, 203 zwischen 31 und 40, 147 zwischen 41 und 65 sowie drei über 65 Jahre.
Klare Ablehnung des Gesetzes
Auf die Frage nach dem geplanten Kopftuchverbot gab eine überwältigende Mehrheit von 93 Prozent der Befragten an, dass sie das Gesetz nicht unterstützen, während fünf Prozent ihre Zustimmung äußerten. Zwei Prozent hatten keine Meinung. Unter den Teilnehmerinnen trugen 69 Prozent ein Hijab – was zeigt, dass selbst eine Mehrheit der befragten Musliminnen, die keinen Hijab tragen, das geplante Verbot ablehnt. Eine klare Mehrheit von 77 Prozent betrachtet das Verbot als „zwanghaft, islamophob und diskriminierend“.
94 Prozent der Befragten wiesen die Aussage zurück, dass „das Kopftuch die schulischen Leistungen von Mädchen unter 14 Jahren negativ beeinflusst“, während lediglich 3,8 Prozent dieser Aussage zustimmten. Auf die Frage, ob das Tragen des Kopftuchs die persönliche Entwicklung negativ beeinflusse, widersprachen 93 Prozent der Befragten, während nur fünf Prozent zustimmten.
Parteiaffinität
Neben den Einstellungen zum Gesetzesentwurf wurde auch eine Sonntagsfrage erhoben. In früheren kleineren Umfragen war man davon ausgegangen, dass etwa die Hälfte aller Musliminnen und Muslime sozialdemokratisch wählt und jeweils ein weiteres Viertel konservativ oder grün. Unsere Erhebung zeichnet jedoch ein deutlich anderes Bild. Zwar gab die Mehrheit der Befragten an, am Sonntag die SPÖ zu wählen (30 Prozent), doch nahezu ebenso groß ist die Gruppe jener, die entweder nicht wählen würden (24 Prozent) oder kein Wahlrecht besitzen (18 Prozent). Zu berücksichtigen ist, dass ein erheblicher Teil der Nicht-Wahlberechtigten aufgrund ihres jungen Alters noch gar nicht wählen darf.
Bemerkenswert ist zudem, dass nach der SPÖ jene Parteien folgen, die im Nationalrat gar nicht vertreten sind: SÖZ (Soziales Österreich der Zukunft) mit 13 Prozent und die KPÖ (Kommunistische Partei Österreichs) mit 10 Prozent. Die scharfe Ablehnung des Gesetzes spiegelt sich auch in der geringen Unterstützung für jene Parteien wider, die das Kopftuchverbot aktiv vorantreiben: FPÖ, NEOS und ÖVP kommen jeweils nur auf ein Prozent Zustimmung. Die Grünen liegen mit drei Prozent ebenfalls am unteren Ende.
Auffällig ist, dass trotz der Mitverantwortung der SPÖ im Regierungsbündnis weiterhin fast ein Drittel der muslimischen Wählerinnen und Wähler an dieser Partei festhält. Ebenso interessant ist die vergleichsweise hohe Zustimmung für die KPÖ sowie für die SÖZ, die bisher lediglich auf Landesebene in Wien kandidierte. Dies zeigt, dass es eines deutlich stärkeren politischen Engagements bedarf, um muslimische Stimmen sichtbar und wirksam zu vertreten.
Fazit
Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass muslimische Frauen – einschließlich jener, die keinen Hijab tragen – das Verbot klar ablehnen. Ebenso wird die von den Regierungsparteien vorgeschobene Begründung überwiegend zurückgewiesen: Die große Mehrheit teilt nicht die Annahme, dass der Hijab die schulischen Leistungen oder die persönliche Entwicklung muslimischer Mädchen beeinträchtige. Insgesamt weisen die Antworten eine hohe inhaltliche Konsistenz über die gesamte Umfrage hinweg auf.