Von „Nie wieder“ zu „Schon wieder“ – Deutschlands Komplizenschaft beim Genozid in Gaza

Während Berlin sich als Verteidigerin der Menschenrechte inszeniert, liefert es Waffen nach Israel und rechtfertigt den Genozid in Gaza. Die historische Mahnung ist zur Farce geworden: Von „Nie wieder“ zu „Schon wieder“.

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„Nie wieder Auschwitz“ – dieser Satz galt jahrzehntelang als moralisches Fundament deutscher Außen- und Erinnerungspolitik. Aus der historischen Verantwortung für den Holocaust leitet die Bundesrepublik ihre Rolle als Mahnerin und Verteidigerin universeller Menschenrechte ab. Doch angesichts des israelischen Genozids gegen die Palästinenser in Gaza zeigt sich: Dieses Versprechen ist nicht universell. Es gilt selektiv – und Deutschland macht sich erneut zum Mittäter.

Der promovierte Experte Denijal Jegić, der sich in seiner Forschung unter anderem mit unterdrückten Befreiungsbewegungen auseinandersetzt, erklärt exklusiv gegenüber TRT Deutsch, die deutsche Vergangenheitsbewältigung sei „nicht von Schuld, sondern stets von wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen sowie der internationalen Reputation Deutschlands geprägt“ gewesen. Zentrale Elemente seien der deutsche Nationalismus und die Selbstwahrnehmung Deutschlands. Formeln wie „Nie wieder“ stellten demnach kein moralisches Resultat dar, sondern dienten der Konstruktion einer positiven Selbstsicht und der Ablenkung von fortbestehenden Menschenrechtsverletzungen.

Waffenlieferungen und politische Rückendeckung

Deutschland ist nach den USA einer der wichtigsten Waffenlieferanten Israels. Deutsche Rüstungsgüter, darunter Kriegsschiffe, Ersatzteile und Munition, fließen direkt in den laufenden Krieg gegen Gaza. Zugleich blockiert Berlin in der EU Debatten über ein Waffenembargo und stellt sich international vor Israel – etwa vor dem Internationalen Gerichtshof, der den Vorwurf des Völkermords prüft. Damit trägt Deutschland nicht nur indirekt Verantwortung, sondern leistet aktiv Beihilfe.

Jegić betont, dass Deutschlands Haltung im Fall des Genozids in Gaza „in komplettem Einklang mit der Geschichte der deutschen Außenpolitik“ stehe. Die Unterstützung für „Siedlerkolonialismus, Apartheid und ethnische Säuberung“ sei keine Ausnahme, sondern eine Kontinuität – von Namibia über Südafrika bis hin zum Libanon und Iran. Deutschlands Rolle sei historisch von „Menschenrechtsverletzungen, rassistischer Motivation und wirtschaftlichen Interessen“ geprägt. Besonders brisant sei, dass die Unterstützung für den Genozid in Gaza als Teil der sogenannten „Staatsräson“ präsentiert werde, was zugleich Unterstützung und Leugnung ermögliche.

Die doppelte Moral

Diese Haltung offenbart eine tiefe Widersprüchlichkeit deutscher Politik. Im Fall Russlands reagierte Berlin auf den Beginnn des Ukraine-Kriegs mit Sanktionen, Waffenlieferungen an Kiew und dem Ruf nach internationaler Strafverfolgung. Doch wenn Israel in Gaza Schulen bombardiert, Hilfskonvois blockiert und Hunderttausende Zivilisten tötet, schweigt die Bundesregierung oder verteidigt das Vorgehen. Menschenrechte gelten offenbar nicht für alle gleichermaßen: „Nie wieder“ wird exklusiv für Juden formuliert – Palästinenser sind davon ausgeschlossen.

Jegić verweist darauf, dass die Darstellung des Genozids in Gaza als Krieg der Selbstverteidigung und die Entmenschlichung der Palästinenser eng mit dem „anti-palästinensischen Rassismus“ in Deutschland verknüpft seien. Dieser sei nicht nur im Mediendiskurs tief verankert, sondern trage auch zur Aufrechterhaltung „anti-muslimischer Gewalt“ bei. Die pauschale Konstruktion von Muslimen als Gefahr für die Zivilisation stärke zudem den deutschen Nationalismus.

Repression im Inneren

Auch im Inneren zeigt sich, wie selektiv die deutsche Erinnerungspolitik funktioniert. Palästina-Solidarität wird kriminalisiert, Demonstrationen verboten, Aktivisten und Wissenschaftler diffamiert. Wer Israels Vorgehen als das benennt, was es ist – ein Genozid –, läuft Gefahr, seinen Job, Fördergelder oder den Zugang zu öffentlichen Räumen zu verlieren. Antisemitismusvorwürfe werden instrumentalisiert, um Kritik zu unterdrücken. So wird das historische Erbe nicht aufgearbeitet, sondern ideologisch missbraucht, um Mitschuld zu verschleiern.

Jegić hebt hervor, dass diese „selektive Rhetorik“ politische Gewalt und Machtmissbrauch normalisiere. Die Kluft zwischen Bevölkerung und politischer Elite werde durch den Genozid in Gaza noch deutlicher. Auch die zunehmende Polizeigewalt gegen Demonstrierende sei ein Symptom dieser Entwicklung, die „rassistische Hierarchien sowohl innerhalb der Gesellschaft als auch in der Außenpolitik“ weiter normalisiere.

Deutschlands moralischer Bankrott

Während Deutschland sich selbst noch immer als moralische Instanz darstellt, bröckelt international seine Glaubwürdigkeit. Im Globalen Süden gilt Berlin zunehmend nicht mehr als Mahnerin, sondern als Komplizin Israels. Die selektive Auslegung von Menschenrechten wird als Heuchelei entlarvt. Die historische Rolle Deutschlands – von der Shoah zur Mahnung „Nie wieder“ – ist zur Farce geworden. Deutschland isoliert sich moralisch und politisch, weil es einen Genozid nicht nur duldet, sondern unterstützt.

Von „Nie wieder“ zu „Schon wieder“

Die Lehre aus der deutschen Geschichte hätte lauten müssen: Nie wieder Völkermord, nie wieder Entmenschlichung, nie wieder Mittäterschaft. Doch anstatt diese Verantwortung universell anzuwenden, hat die Bundesregierung sie pervertiert. Heute gilt: Von „Nie wieder“ zu „Schon wieder“. Deutschland ist erneut Teil eines Genozids – diesmal nicht als Täter im eigenen Land, sondern als politischer und militärischer Unterstützer Israels.

Die bittere Wahrheit lautet: Deutschland hat seine historische Verantwortung verraten. Wer es ernst meint mit „Nie wieder“, darf keinen Genozid legitimieren – ganz gleich, wer ihn begeht.